Was kann Stress mit tiefliegenden Mustern und erlernten Strategien gemeinsam haben?
- Andrea Sasse
- 21. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 22. Aug.
Die meisten wissen nicht, dass chronischer Stress häufig nichts mit den äusseren Umständen zu tun hat. Nicht der volle Terminkalender, nicht der anstrengende Job, nicht die vielen Erwartungen von aussen sind die wahren Stressauslöser.

Die meisten wissen nicht, dass Stress oft eine Folge innerer, unbewusster Programme ist – tief eingeprägte Muster, die aus alten Verletzungen stammen. Muster, die uns antreiben, nie genug zu sein, nie anzukommen, immer weiter zu funktionieren.
Und diese Muster sind eng mit unserem autonomen Nervensystem verbunden – einem System, das blitzschnell reagiert, um unser Überleben zu sichern. Und das doch so selten wirklich verstanden wird.
Doch warum geraten wir überhaupt aus dem Rhythmus?
Viele Menschen leben in einem Zustand ständiger Anspannung – sie funktionieren, leisten, organisieren. Sie spüren sich oft erst wieder, wenn sie völlig erschöpft sind. Pausen fühlen sich unangenehm an. Entspannung ist schwer auszuhalten.
Warum?
Weil unter der ständigen Aktivität oft etwas ganz anderes liegt. Etwas, das nicht so leicht sichtbar ist. Etwas, das wir lieber vermeiden als fühlen. Ein tiefes, schmerzhaftes Gefühl: Scham.
Die versteckte Kraft der Scham

Scham ist eines der frühesten und intensivsten Gefühle, die wir als Kind erleben können – etwa, wenn unsere Bedürfnisse nicht erfüllt oder wir in unserer Echtheit zurückgewiesen wurden. Nicht selten entwickeln wir daraus Überzeugungen wie:
„Mit mir stimmt etwas nicht.“
„Ich bin zu viel / zu wenig.“
„Ich darf nicht bedürftig sein.“
Diese frühen Erfahrungen prägen unser Nervensystem. Es lernt: Ich muss mich anpassen, um dazuzugehören. Ich darf nicht ich selbst sein. Und so werden aus dieser unbewussten Scham heraus Überlebensstrategien geboren:
leisten, um wertvoll zu sein
stark sein, um nicht verletzt zu werden
alles kontrollieren, um Sicherheit zu spüren
Diese Strategien kosten Energie. Und sie halten unser Nervensystem in Daueraktivierung. Die Folge: chronischer Stress, Erschöpfung, Reizbarkeit, Schlafstörungen, psychosomatische Symptome.

Der Irrweg: Selbstoptimierung als Kompensation
Unsere Gesellschaft bestärkt diese Dynamik: Gestresst zu sein gilt als Zeichen von Leistungsbereitschaft. Gleichzeitig floriert der Markt für Entspannungstechniken, Selbstoptimierungs-Tools und mentale Hacks.
Doch solange die Scham im Inneren unberührt bleibt, helfen all diese Rezepte nur kurzfristig. Wir „optimieren“ uns weiter – nicht aus Selbstfürsorge, sondern aus Selbstablehnung! Wir versuchen, uns zu entspannen – um anschliessend wieder besser funktionieren zu können. Doch echte Entspannung beginnt nicht im Aussen. Sondern in der Beziehung zu dir selbst.
Zurück in den Rhythmus

Ein gesunder Mensch ist nicht ständig entspannt. Ein gesunder Mensch ist nicht ständig aktiv. Ein gesunder Mensch ist im Rhythmus. Unser Nervensystem will pulsieren – wie eine Welle: Aktivität – Entspannung – Aktivität – Entspannung. Wie Tag und Nacht. Wie Ein- und Ausatmen.
Wenn wir dauerhaft „an“ sind, brennt das System aus. Wenn wir in die Erschöpfung kippen, kommt es zum Shutdown.
Und wenn Aktivierung und Erschöpfung gleichzeitig auftreten, blockieren sich die Systeme gegenseitig. Dann sind wir im inneren Stillstand bei gleichzeitiger Unruhe – das berühmte innere Gaspedal UND die Bremse gleichzeitig.
Was wirklich heilt: Bewusstsein, Verbindung, Rhythmus
Der Weg zurück führt nicht über Kontrolle, sondern über Verständnis und Mitgefühl. Was du brauchst ist kein neuer Kalender- oder Biohack. Was du brauchst, ist eine neue Haltung dir selbst gegenüber

Was wäre, wenn mit dir nie etwas falsch war? Was wäre, wenn deine „Schwächen“ eigentlich ein gesunder Versuch deines Nervensystems sind, dich zu schützen?
Wenn du beginnst, diesen inneren Beweggrund zu sehen – nicht zu verurteilen, sondern zu erforschen –, verändert sich dein ganzes System.
Vom Überleben ins Leben
Stress ist kein Feind. Er ist ein Signal. Scham ist kein Makel. Sie ist ein Hinweis auf alte Wunden, die gesehen werden wollen, um sie nachhaltig zu integrieren. Und dein Nervensystem ist nicht kaputt – es will dich nur erinnern: Du darfst aufhören zu kämpfen. Du darfst dich entspannen – nicht um zu funktionieren, sondern um zu sein.

Fazit: Deine Kraft liegt in deinem Rhythmus
Wenn du erkennst, wie Scham dich unbewusst antreibt, kannst du entscheiden, neu mit dir umzugehen. Du kannst lernen, achtsam statt leistungsgetrieben zu handeln, sanft statt hart mit dir zu sein – und deinen Rhythmus wieder zu spüren.
Buchempfehlung
In diesem Buch findest du wertvolle Impulse für die Befreiung aus Scham- und Schuldgefühlen. Es öffnet dir neue Perspektiven auf die tieferen Zusammenhänge zwischen innerer Not, Stress und dem, was dich wirklich antreibt – oft unbemerkt, aber umso wirksamer.
Daneben begleite ich dich gerne, um diesen oft unsichtbaren Gefühlen auf den Grund zu gehen. Damit du alte Schutzmuster erkennen und wandeln kannst. Damit dein Nervensystem wieder zur Ruhe findet. Damit du dich wieder verbunden, sicher und lebendig in dir selbst fühlst.
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